Erfahrungsbericht
Qle hat ein Flip it für unsere Kampagne #mehralscareleaver gemacht und uns einen so tollen Text dazu geschickt, dass wir diesen gerne hier veröffentlichen. Vielen Dank, Qle, dass du dabei bist!
Mit 13 Jahren zog ich in eine Jugendwohngruppe in der Nähe meines vorherigen Wohnortes, um die Schule nicht wechseln zu müssen. Das Stigma, was mir dadurch aufgedrückt wurde, war sehr belastend. Es hat meine Zukunft gefährdet, da mich Lehrkräfte und Mitschüler_innen schlagartig anders, viel weniger wertschätzend, behandelt haben. Sie gingen ständig vom Schlimmsten aus und hatten Vorurteile mir gegenüber. Mit 15 Jahren begann ich, aus heutiger Sicht viel zu früh, eine Verwaltungsausbildung in der nächstgrößeren Stadt. Ich wollte schnellstmöglich selbständig werden und nicht weiter von der
Jugendhilfe abhängig sein. Ich zog innerhalb der Wohngruppe zunächst in eine Verselbständigungswohnung, sodass ich für alle Fälle Ansprechpersonen hatte. Einen Großteil meiner Ausbildungsvergütung drückte ich ab, wodurch ich nicht dieselben finanziellen Freiheiten wie meine Mitauszubildenden hatte und immer wieder Ausschlüsse erfuhr. Wo und wie ich lebte, versuchte ich so gut es ging geheim zu halten. Ich wollte weitere Benachteiligungen reduzieren, wodurch aber der soziale Anschluss kaum möglich war.
»Wo und wie ich lebte, versuchte ich so gut es ging geheim zu halten, um weitere Benachteiligungen zu reduzieren.«
»Auch wenn mir viele Steine in den Weg gelegt wurden, habe ich es geschafft meine Ziele zu verwirklichen.«
Meinem eigentlichen Berufswunsch, der Abitur und Studium voraussetzt, ging ich aus der Sorge nicht nach, es ohne finanziellen und familiären Support nicht zu schaffen. Immer wieder wurde mir vermittelt, dass es ja so großartig sei, dass ich mit meiner Biografie die Schule überhaupt abgeschlossen und einen Ausbildungsplatz im öffentlichen Dienst bekommen hatte. Die meisten schienen sogar überrascht, dass ein Mensch aus einer stationären Jugendhilfeeinrichtung überhaupt zu einem beruflichen Werdegang fähig war. Immer wieder gab es Schwierigkeiten, vor allem bürokratische: in der Ausbildung, in der medizinischen Versorgung, bei der Wohnungssuche etc. Doch aufhalten ließ ich mich nicht!
Mit Anfang 20 holte ich, nach einigen Jahren Lohnarbeit, mein Abitur nach und arbeitete Vollzeit, um meinen Lebensunterhalt bestreiten zu können. Das waren sehr ambivalente und kräftezehrende Jahre. Ich habe oft an mir selbst gezweifelt und hatte verinnerlicht, nicht für einen solchen Werdegang geeignet zu sein.
Inzwischen stehe ich fest im Leben, bin in der Abschlussphase meines Studiums der Sozialen Arbeit, werde von der Rosa-Luxemburg-Stiftung gefördert und kann mich dadurch sowohl beruflich als auch aktivistisch für die Belange von marginalisierten Personengruppen einsetzen – ein sozialrechtlicher Master folgt im Anschluss.
Auch wenn mir viele Steine in den Weg gelegt wurden, habe ich es geschafft meine Ziele zu verwirklichen und das vor allem durch die emotionale Unterstützung meines Freund_innenkreises – die beste Wahlfamilie überhaupt!
Heute kann ich stolz von mir behaupten: Ich bin nicht wegen meiner Vergangenheit wie ich bin, sondern trotzdem. :)
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