Careleaver als Fachkräfte
Die AWAKE Fellows Alyn und Kai berichten über ihre Erfahrungen dazu, Fachkraft in der Jugendhilfe zu sein und eine eigene Care-Biografie mitzubringen. Mit ihren Texten haben sie sich an der Fachtagung »Care Leaver als Fachkräfte in der Jugendhilfe – Bedrohung oder Ressource?« beteiligt. Wir freuen uns euch hier Ausschnitte zeigen zu können!
AWAKE Fellow Alyn (Foto: Katja Illner)
Als Careleaverin und Fachkraft, kann ich besonders gut nachempfinden, welchen Unterschied es macht, am anderem Ende des Schreibtisches zu sitzen.
Carelever:innen, die Fachkräfte sind, erleben häufig, dass ihnen ihre Fachlichkeit von Fachkräften abgesprochen wird und sie fortan als Klient:innen betrachtet und / oder paternalisiert werden.
Was ich mir wünsche?
Ich wünsche mir, dass die Care-Erfahrung als Ressource verstanden wird!
Wenn ich von meiner Care-Erfahrung berichte, ist mein Umfeld meist erstaunt. »Aber du bist doch ganz normal…«, kann ich förmlich von ihren Gesichtern ablesen. Schließlich schmeiße ich nicht mit Stühlen um mich, wenn ich wütend bin, oder bin überaus angepasst und harmoniebedürftig.
Als Fachkraft bin ich immer Zuschreibungen ausgesetzt. Doch Gender, Identität, Herkunft, Klasse oder eben auch Care-Erfahrungen sind nicht immer nur offensichtlich, sie wirken mitunter auch unbemerkt. Diese Zuschreibungen sind einschränkend, aber in meiner professionellen Identität, in meinem Kontakt- und Beziehungsangebot, verstehe ich sie als »Türöffner«.
Es sind Karten, die ich bewusst spielen kann, um Räume zu eröffnen und manchmal, um zu irritieren.
Gleichheitserwartungen, auch im Kontext von Care, sind jedoch nichts wert, wenn ich aufbauend darauf keinen professionellen Umgang damit finde. So sind nichtaufgearbeitete Erlebnisse klare Tabus!
In meiner Arbeit konnte ich meine Biografie sehr gut einsetzten. Ich bin Vorbild für andere und schaffe meinem Gegenüber Raum für Empowerment. Ich bin Beispiel dafür, wie divers Biografien sind und Teil einer diversen Care-Gemeinschaft.
Ich plädiere dafür, meine Fachlichkeit nicht von meiner Care-Erfahrung oder anderen Zuschreibungen abhängig zu machen. Im Umgang mit anderen Professionellen möchte ich für mein Fachwissen, meine Kompetenzen und Fähigkeiten kritisiert werden und damit in den Diskurs treten!
Lieber was auf die Ohren statt für die Augen?
Hört euch die Beiträge von Alyn, Kai und Theresa* einfach an!
Eingesprochen von Schauspieler, Sprecher und Sänger Robert Knorr
*Name von der Redaktion geändert
Mein Weg – Zwischen »großem Angriffspunkt« und »Trumpf«
Ich habe meine Kinder- und Jugendhilfe Vergangenheit sehr selbstbewusst, auch als Argument für mich benutzt. Das ging schon mit der Bewerbung zum Soziale Arbeit Studium los. Im Endeffekt baute meine Motivation für das Studium Soziale Arbeit genau darauf auf. Nämlich, dass ich gerne Menschen helfen wollte, die einen ähnlichen Lebensweg gehen müssen, wie ich ihn gehen musste. Nach langem Grübeln habe ich mich damals dazu entschlossen, das auch so zu formulieren. Ich habe da reingeschrieben, wo meine Wurzeln liegen und wo nicht und erklärt, dass genau darin meine Motivation begraben ist. Das lief meiner Erfahrung nach ziemlich gut.
Bei der Berufswahl habe ich es dann genauso gehandhabt. Da habe ich es zwar nicht in meine Bewerbung geschrieben, nichtsdestoweniger war es in dem Bewerbungsgespräch relativ schnell so weit, dass ich das publik gemacht habe.
Ich wollte mich fordern und es war mir einfach lieber, was den »großen Angriffspunkt« angeht, direkt mit offenen Karten zu spielen.
Ich habe darauf gepokert, dass es eine große Ressource sein kann und auch erklärt, inwiefern das eine große Ressource sein kann. Auch das habe ich scheinbar relativ geschickt gelöst, weil angenommen wurde ich.
Es gab auch ein, zwei Situationen in meiner jetzigen Berufslaufbahn, wo das zum Tragen kam. Gerade, wenn Jugendliche längere Zeit keinen Kontakt zu ihren Eltern hatten. An der ein oder anderen Stelle haben wir das im Team besprochen und dann quasi meine Geschichte als Trumpf gezogen. Allerdings nicht ich alleine, sondern mit einem Sicherheitsnetz. Eine Kollegin ist mitgekommen, um mich zu stützen, quasi zu meinem moralischen Support. Das lief gut.
Als Careleaver und Fachkraft kann ich besonders gut Empathie aufbringen und habe ein Verständnis für das, was das System Jugendhilfe von den »Zöglingen« abverlangt.
Careleaver, die Fachkräfte sind, erleben häufig schwere Geschichten, die teilweise an eigene Geschichten erinnern und viel Resilienz fordern.
Was ich mir wünsche?
Ich will andere Menschen aus meinen Erfahrungen lernen lassen.
Die Fachtagung »Care Leaver als Fachkräfte in der Jugendhilfe« findet am 28. März 2022 digital statt.
Helena Knorr, Projektmanagerin des Brückensteine AWAKE Fellowships, wird die hier vorgestellten Texte in einer »szenischen Lesung« vortragen.
Weitere Informationen finden Sie hier
und in diesem PDF zum Download.