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Careleaver:innen: Die Geschichten der Vielen

Im Juli 2021 fand das erste Careleaver Sommerfestival der Brückensteine statt. Das Festival war ein Ort der Begegnung und des Austauschs. Es ging um Careleaver:innen Community-Feelings und ordentlich Spaß. Aber auch darum gemeinsam über Lösungen für die Herausforderungen von Carleaver:innen nachzudenken. 

Helena Knorr, Projektleitung von AWAKE teilt hier ihre Eindrücke.

Und hier kommt der erste Teil!

„Es gibt nicht „die eine Geschichte“.
Es gibt hunderttausende und keine gleicht der anderen.“

„Berlin, Berlin – wir fahren nach Berlin!“. Auf dem Weg zum Careleaver:innen Sommerfestival der Brückensteine breitet sich Vorfreude aus. Das Sommerfestival ist ein Dankeschön, eine lang ersehnte Möglichkeit nach eineinhalb Jahren Pandemie uns alle, die sich digital schon oft gesehen haben, endlich persönlich kennen zu lernen und eine große Chance, gemeinsam für alle Careleaver:innen einzutreten.

Schon in den ersten Stunden des Festivals, als nach und nach die grüne Wiese auf dem Gelände der Kreuzberger Kinderstiftung mit Leben gefüllt wird, ist klar – das Careleaver:innen Sommerfestival wird eine intensive Erfahrung für alle Beteiligten.

Zum Kennenlernen gehört es für die meisten hier dazu, die eigene Geschichte zu teilen, in der auch Erfahrungen mit der Jugendhilfe ihren Platz haben. Aber das ist hier kein Outing. Es fühlt sich anders an. Es ist ein ins Gespräch kommen, ein sich annähern und über Details austauschen, ein Abgleichen, nicht bewerten und gegenseitiges Verstehen auf gemeinsamer Basis. Jede und jeder* hat andere Erfahrungen gemacht und keine Geschichte gleicht der anderen. Dennoch gibt es hier die Chance tiefer zu gehen, die kleinen Feinheiten und großen Fragen an die Vergangenheit in der Jugendhilfe und über die selbst erbaute Zukunft mit anderen Careleaver:innen zu verhandeln.

 

Die jungen Menschen, die ich hier kennenlerne bringen eine enorme Kraft mit. Das ist eine Kraft, die im Erzählen zwischen den Zeilen liegt und unerschütterlich ruft: „Ich lebe.“ Sie erzählen von Erfahrungen mit ihren Herkunftsfamilien, die ihnen teilweise unbekannt sind, sie erzählen von wundervollen Pflegeeltern, die immer für sie da waren, sowie von den ständigen Wechseln zwischen Einrichtungen. Sie berichten von Betreuer:innen, die sie für ihr Leben lang ins Herz geschlossen haben und überforderten Fachkräften, denen sie nicht auch noch zur Last fallen wollten. Sie erzählen von Schuld, denn ihnen wurde gesagt, sie kosten zu viel und erinnern sich gegenseitig daran, dass diese Schuld nicht zu ihnen gehört, sondern im Gegenteil „ein Recht auf ein Zuhause“.


Mir wird klar, erst die Geschichten der Vielen geben einen Eindruck von den Bedingungen unter denen Careleaver:innen ins eigenständige Leben starten. Es gibt nicht „die eine Geschichte“. Es gibt hunderttausende und keine gleicht der anderen. Aber sie alle eint, dass diese jungen Menschen ohne eigenes Verschulden, Brüche hinnehmen, beharrlich als Kinder familiäre Probleme überwinden und bürokratische Stapel bearbeiten mussten, bis sie früher als die meisten jungen Leute, bereits mit dem 18. Geburtstag und dem klassischen „Rauswurf aus der Jugendhilfe“, auf eigenen Beinen stehen mussten. 

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